500 Jahre Fossilienfunde aus Wangen

Fossilien sind Zeugen der Geschichte des Lebens auf unserem Planeten. Die versteinerten Überreste längst ausgestorbener Pflanzen und Tiere dokumentieren die Entwicklung der Artenvielfalt und liefern Belege für die Evolutionstheorie. Lesen im Buch der Natur - das war für die Zeit vor der Aufklärung eine Aufforderung, die materielle Welt und ihre Erscheinungen als Quelle der Gotteserkenntnis zu begreifen. Die moderne Wissenschaft hat sich ein anderes Ziel gesteckt. Zwar liest sie auch im Buch der Natur, aber sie nutzt das Buch der Natur um ihren Aufbau, ihre Elemente, ihre Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu begreifen.

Zu den besonders ergiebigen Kapiteln dieser zeitgemäßen Lektüre im Buch der Natur gehören die Gesteine und Fossilien. Die dauerhaften Gesteine ermöglichen einen Blick in die Vergangenheit der Erdgeschichte, sie geben Aufschluss über die gewaltigen Kräfte, die unsere Welt geformt haben.

Fossilien sind unersetzliche Zeugnisse und wertvolle Berichterstatter der Geschichte des Lebens auf der Erde. Die versteinerten Überreste längst ausgestorbener Pflanzen und Tiere dokumentieren die Phasen sowie den Formenreichtum der biologischen Entwicklung und liefern so entscheidende Belege für die Evolutionstheorie.

Unsere Heimat Südbaden hat zwei bemerkenswerte Zeugnisse jungtärtieren Tier- und Pflanzenwelt. Das eine sind die Kalksteinbrüche in Wangen / Öhningen und die andere Fundstelle liegt am Südfuß des alten Hegau Vulkan Höwenegg.

Die Funde aus Öhningen erregten bereits Anfang des 18. Jahrhunderts Aufsehen, als der Zürcher Stadtarzt Johann Jakob Schleuchzer ein eigenartiges Fossil aus den Öhninger Kalksteinbrüchen zuerst in einem Flugblatt und später in seiner berühmten Kupferbibel beschrieb. Gut einen halben Meter lang, mit breitem Schädel, kleinen Händen und Füßen an kurzen Ärmchen und Beinchen, erinnerte das fossile Skelett schemenhaft an das eines kleinen Menschen. Und dem Glauben an die Worte der Bibel verhaftet, deutete Schleuchzer dieses Fossil als Überbleibsel einer von der Sintflut erfassten armen Seele, und nannte diesen Menschen "Homo diluvii testis".

Der Steinbruch in Wangen am Bodensee lieferte weitere Exemplare dieses seltsamen Lebewesens und verschiedene Gelehrte befaßten sich in der Folgezeit mit der Untersuchung und wissenschaftlichen Zuordnung des mittlerweile umfangreicheren Fossilmateriales. Nach mancherlei Irrwegen durch die zoologische Systematik, wonach das versteinerte Skelett auch als Überrest eines Welses gedeutet worden war, stellte man es schließlich im Jahre 1777 immerhin schon in die Gruppe der Amphibien und Reptilien.

Was 1726 in der Literatur mit der Deutung eines in der Sintflut ertrunkenen menschlichen Sünders begonnen hatte, fand rund 100 Jahre später schließlich die richtige wissenschaftliche Einordnung als fossiler Riesensalamander aus der Ordnung der Schwanzlurche. Ermöglicht wurde das durch Georges Cuvier. Georges Cuvier gilt als wissenschaftlicher Begründer der Paläontologie und machte die vergleichende Anatomie zu einer Forschungsdisziplin. Er untersuchte die Anatomie verschiedener Lebewesen und verglich systematisch alle Ähnlichkeiten und Unterschiede. Diese Studien ermöglichten ihm, aus der Existenz einiger Knochen die Gestalt anderer Knochen und die zugehörigen Muskeln abzuleiten. So gelang ihm schließlich die Rekonstruktion eines ganzen Tierkörpers aus nur wenigen Teilen.