Sie erinnern sich sicherlich: Vor 20 Jahren entdeckte ein Ehepaar am Similaunpass in den Alpen die Leiche eines Mannes, die bald als die gut erhaltenen Überreste des Steinzeitmenschen Ötzi bestimmt wurde - ein Jahrhundertfund, der uns neue Dimensionen für die Erforschung dieser Geschichtsepoche eröffnete und großes Interesse wie auch eifrige Diskussionen hervorrief.

Eben solches europaweites Interesse und solche Diskussionen folgten den Entdeckungen Kaspar Löhles - ebenso ein Jahrhundertfund (den Begriff gab es damals noch nicht, er ist eine typische Schöpfung des 20. Jh.). Löhle eröffnete erst den geschichtlichen Raum, in den später Ötzi eingeordnet werden konnte. Und die 20 Jahre nach seiner Entdeckung sind ebenso erfüllt von weiteren Entdeckungen, Auswertungen der Funde, gegensätzlichen Thesen, neuen Fragen, wissenschaftlichen Tagungen und Sensationsmeldungen der Presse. Bis mindestens 1875 hat Kaspar Löhle seine Beiträge dazu geliefert. Grund genug, uns mit dieser bedeutenden Persönlichkeit einmal genauer zu beschäftigen.

Zu beschäftigen - ich hätte lieber gesagt "sie anzusehen". Doch da stoßen wir bereits auf Grenzen - wir haben kein einziges Bild dieses wichtigen Mannes. Die Zeit der Photographie begann erst, und Maler waren für einen Kleinbauern unvorstellbar. So bleiben uns nur Spuren, die Kaspar Löhle hinterließ, um ein Bild von ihm zu gewinnen. Mein Vortrag gliedert sich deshalb in drei Teile:

Lebensdaten - Eigenart und Arbeitsweise - Anerkennung und Wirkung

Suchen wir zunächst die wichtigsten Stationen in seinem Leben.

Besuch der Dorfschule mit großem Lerneifer, planmäßiges Eigenstudium von Landwirtschaft, Geschichte und Geographie.

Mit 11 J. erste Funde, die er sich nicht erklären konnte. Nebenverdienst als Schermuser (Maulwurffänger).

Als Schüler kaufte er sich den deutschen Text von Carsars "De vello gallico" und studiert ihn.
Stellen Sie sich vor: Eine kleine Dorfschule, bis zu 70 Kinder mehrerer Jahrgänge in einer "Klasse" beisammen, die als "Buch" nur die Bibel und das Gebetsbuch kennen. Und da kauft sich ein elf-jähriger Knirps den Cäsar und studiert ihn genau - welcher Bildungswille steckt da dahinter!
Tatsächlich holte Löhle aus Cäsars Bericht seine Kenntnisse über die Alte Geschichte, die Kelten/Gallier und frühere Lebensweisen. In Berichten über ihn wird diese Lektüre aus seiner Schulzeit immer wieder erwähnt. 1865 schreibt er an seinen Partner, Dr. Keller:

"Cäsar ist schuld, dass ich die Pfahlbaute bei Wangen gefunden, obgleich ich anfangs nicht wusste, was die Fundsachen für einen Wert hatten, bis durch Ihnen belehrt worden bin."

Ab 1811 erste Funde von Stein- und Knochengeräten am Seeufer

In Wangen bekleidete er verschiedene Gemeindeämter.


Haus von Kaspar Löhle in Wangen

Nicht nur als Gemeinderat und Gemeinderechner, sondern auch wegen seiner besonderen Kenntnisse war Löhle oft gefragt, wenn Wissenschaftler und Professoren nach Wangen kamen, um die Öhninger Schichten zu besichtigen. Ihnen zeigte er gerne seine Funde und bat sie um ihre Meinung dazu. Die Antworten waren meist ernüchternd oder nur ein freundliches Lächeln; die vorgezeigten Steine ordneten sie als "Naturspiel" oder "Bügelsteine" ein. Er aber hielt an seiner Erkenntnis fest, dass sie zu Menschen aus der Zeit Caesars oder noch davor gehörten.

1948/49 war Kaspar Loehle am Heckeraufstand zur Ausrufung der Republik beteiligt.